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Amoklauf Graz: Psychologie und Prävention

Ein Kind sitzt vor der Schule

1. Einleitung: Die Fassungslosigkeit nach Graz – Warum wir tiefer blicken müssen

Die Nachrichten vom 10. Juni 2025 haben Österreich erschüttert: Ein Amoklauf am Bundes-Oberstufenrealgymnasium (BORG) in Graz forderte zehn Menschenleben, darunter auch den Täter, und hinterließ zahlreiche Schwerverletzte.1 Worte wie „nationale Tragödie“ und „Dieser Horror ist nicht in Worte zufassen“ 1 spiegeln die tiefe Bestürzung und Trauer wider, die das Land erfasst haben. In solchen Momenten dominieren Fassungslosigkeit, Wut und die drängende Frage nach dem „Warum?“. Dieser Artikel versucht, über die erste emotionale Reaktion hinauszublicken und sich den komplexen psychologischen Hintergründen solcher Taten anzunähern.

Es ist eine schmerzhafte Erkenntnis, dass derartige Gewaltausbrüche, so unbegreiflich sie erscheinen mögen, oft das tragische Endresultat langwieriger psychologischer Entwicklungen und erkennbarer Muster sind.3 Ein tiefergehendes Verständnis dieser Hintergründe ist unerlässlich, um wirksame Präventionsstrategien entwickeln zu können. Dabei geht es nicht um eine Entschuldigung der Taten, sondern um eine fundierte Erklärung als Basis für zukünftiges, präventives Handeln. Die unmittelbare Reaktion auf Amokläufe ist oft von einer Suche nach einfachen Schuldzuweisungen geprägt.4 Die Forschung zeigt jedoch, dass es sich um multifaktorielle Geschehnisse handelt.3 Daher ist es notwendig, die Komplexität des Phänomens zu beleuchten, um zu nachhaltigen Lösungsansätzen zu gelangen und unrealistische Erwartungen an schnelle Antworten zu dämpfen.

2. Im Kopf des Täters: Psychologische Muster und Warnsignale bei Schulamokläufen

Die Analyse vergangener Schulamokläufe offenbart eine Reihe wiederkehrender Merkmale und Verhaltensweisen, die ein differenziertes Bild der Täter zeichnen. Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder, der einige dieser Merkmale aufweist, zu einer solchen Tat fähig ist oder diese plant. Dennoch können diese Erkenntnisse helfen, Risikokonstellationen besser zu verstehen.

Detaillierte Darstellung von Täterprofilen:

Amokläufer an Schulen sind oft junge Männer, die, obwohl nicht zwingend reine Einzelgänger ohne jegliche soziale Kontakte, häufig Schwierigkeiten haben, Anschluss an Gleichaltrigengruppen zu finden, und wenig Erfolg bei Mädchen oder in sozialen Interaktionen allgemein erleben.5 Ein zentrales Element ist das Gefühl, gemobbt, verfolgt oder abgelehnt zu werden.5 Dieses subjektive Empfinden muss nicht immer mit der objektiven Realität übereinstimmen, kann aber die Wahrnehmung und das Handeln der Betroffenen maßgeblich beeinflussen.6

Ein auffälliges Interesse an Waffen, gewalthaltigen Medieninhalten sowie an früheren Amoktaten und deren Tätern ist ein häufig dokumentiertes Merkmal. Der Zugang zu Waffen wird nicht selten über das elterliche Umfeld oder ältere Bekannte ermöglicht.8 Parallel dazu können ab etwa der achten Klasse zunehmende schulische Probleme auftreten, die sich in absinkenden Noten oder disziplinarischen Konsequenzen äußern. Im Vorfeld der Tat ist oft eine soziale Isolation oder der abrupte Abbruch bestehender sozialer Beziehungen zu beobachten.

Psychische Auffälligkeiten:

Psychische Probleme spielen eine gewichtige Rolle. Häufig finden sich narzisstische Persönlichkeitsstrukturen und/oder depressive Tendenzen. Eine Studie zeigte bei sechs von sieben Tätern Anzeichen von Narzissmus. In anderen Untersuchungen wurden bei allen analysierten Tätern psychiatrische Auffälligkeiten festgestellt, die auch für Außenstehende erkennbar waren, wie beispielsweise Dementia praecox (eine veraltete Bezeichnung für Schizophrenie), schizophrene Defektzustände oder paranoide Persönlichkeitszüge.7 Viele Täter befanden sich bereits vor der Tat in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung.

Weitere charakteristische psychische Merkmale umfassen eine hohe Kränkbarkeit 3, mangelnde Empathiefähigkeit, tiefsitzende existenzielle Wut und Ängste, ausgeprägte Suizidalität (in einer Studie fielen 78 % der Täter durch Suizidversuche oder -gedanken auf 5), ein intensives Fantasieerleben, Gefühle von Scham und Neid sowie das Erleben einer „scheiternden Männlichkeit“.5 Diese tiefgreifende narzisstische Problematik scheint ein zentraler Motor zu sein. Die Tat kann dann als ein verzweifelter Versuch interpretiert werden, ein grandioses, aber brüchiges Selbstbild (wieder-)herzustellen oder sich für erlittene – oft subjektiv übersteigerte – Kränkungen zu rächen und posthum Kontrolle und eine verdrehte Form von Anerkennung zu erlangen. Die Schule wird dabei häufig zum Tatort, weil sie als Ort dieser Kränkungen und des Versagens wahrgenommen wird.5

Motive:

Die Motive sind vielschichtig. Rache wird oft als zentrales Motiv genannt, wobei sich diese Rache nicht unbedingt gegen spezifische Peiniger richtet, sondern pauschal gegen „alle“, denen es vermeintlich besser geht oder die zur eigenen Misere beigetragen haben sollen.6 Erfahrungen von Viktimisierung und Bullying können hierbei eine Dynamik in Gang setzen, bei der „heiße Scham in kalte Wut“ umschlägt und die Tat als Mittel zur (Wieder-)Erlangung von Kontrolle dient.

Neben Rache ist der Wunsch nach Ruhm und Aufmerksamkeit ein Kernmotiv. Die Täter streben danach, frühere, medienwirksame Täter zu übertreffen, und der posthume Ruhm, der mit der medialen Berichterstattung einhergeht, wirkt stark motivierend.5

Fantasien dienen dabei oft der Kompensation von Mängeln und dem Durchspielen von Racheakten.

Rolle von Fantasien:

Ein intensives Fantasieerleben ist im Vorfeld der Tat häufig zu beobachten.5 Diese Fantasien kreisen um die eigene Großartigkeit und Einzigartigkeit, beziehen fiktive Charaktere, aber auch reale Vorbilder wie andere Amokläufer oder Massenmörder mit ein und können sich in eigenen Aufsätzen oder Kurzgeschichten mit brutalen Inhalten manifestieren.5 Diese Gewaltfantasien können sich zu einer Art „Gewaltfilm“ entwickeln, den die Täter innerlich wiederholt abspielen.

Typische Warnsignale:

Die Forschung hat eine Reihe von Warnverhaltensweisen identifiziert, die im Vorfeld von Amokläufen auftreten können. Eine Studie zu drei Fällen von Amokläufen durch erwachsene Außenstehende an Schulen in Deutschland zeigte folgende Häufigkeiten:

  • Weg zur Gewalt (Pathway, 100 %): Alle Täter beschafften sich Wochen oder Monate vor der Tat Waffen und Munition; Planungselemente waren erkennbar.7
  • Fixierung (Fixation, 100 %): Eine negative pathologische Fixierung war in allen Fällen vorhanden, oft beeinflusst von psychischen Erkrankungen. Beispiele sind wahnhafte Schuldzuweisungen an bestimmte Gruppen, ein gefühlter Kampf gegen Behörden oder das Empfinden ungerechter Behandlung.7
  • Identifizierung (Identification, 33 %): Eine deutliche Identifizierung mit Waffen, der Besitz von Waffen, Munition und entsprechender Literatur.7
  • Neu auftretende Formen von Aggression (Novel Aggression, 33 %): Beispielsweise Sabotageakte, die andere Menschen gefährden.7
  • Energieschub (Energy Burst, 33 %): Eine deutliche und abrupte Steigerung des Aktivitätsniveaus im Vorfeld der Tat.7
  • Leakage (66 %): Äußerungen oder Andeutungen gegenüber Dritten über die geplante Gewalttat. Dies kann verbal, schriftlich (Briefe, Tagebücher, Schulaufsätze, Chats, Internetforen), durch Videos oder Zeichnungen geschehen.5 In einer breiteren Analyse wurde festgestellt, dass in 81 % der Fälle mindestens eine Person (meist Freunde, Klassenkameraden oder Geschwister) von den Tatgedanken oder dem Tatplan des Amokläufers wusste.9 Leakage kann als Hilferuf, letzte Warnung oder als Mittel zur Machtdemonstration interpretiert werden.9
  • Letzter Ausweg (Last Resort, 66 %): Die Täter formulierten, dass Gewalt für sie die letzte verbleibende Option sei, oder drückten Gefühle existenzieller Bedrohung und Ausweglosigkeit aus.7
  • Psychiatrische Auffälligkeiten (100 %): Bei allen drei Tätern der genannten Studie waren psychiatrische Auffälligkeiten vorhanden und auch für Außenstehende erkennbar.7
  • Direkte Drohungen (0 %): Interessanterweise wurden in den drei spezifisch untersuchten Fällen keine direkten Gewaltdrohungen dokumentiert.7 Dies unterstreicht die Notwendigkeit, auch subtilere Hinweise ernst zu nehmen.

Die meisten Amoktaten an Schulen sind keine impulsiven Taten, sondern werden von den Tätern genauestens geplant und vorbereitet, oft über Monate hinweg.5 Es gibt Hinweise darauf, dass Täter voneinander lernen, sozusagen in einer „Schule des Tötens“, mit dem Ziel eines möglichst hohen Wirkungsgrades und maximaler Aufmerksamkeit.9

Die Fülle an dokumentierten Warnsignalen, von denen das soziale Umfeld oft Kenntnis hat („Leakage“ in bis zu 81 % der Fälle bekannt 9, psychiatrische Auffälligkeiten in der Studie von 7 in 100 % der Fälle), steht im scharfen Kontrast zur Tatsache, dass die Taten dennoch geschehen. Dies deutet auf eine kritische Lücke hin: Entweder werden die Signale von der Umgebung nicht als ausreichend gravierend erkannt, sie werden falsch interpretiert, oder es fehlen klare, niederschwellige Meldewege und konsequente Interventionsmechanismen. Die Unsicherheit, wie man auf solche Signale reagieren soll, oder die Angst vor falschen Anschuldigungen könnten hier eine entscheidende Rolle spielen.

Die folgende Tabelle fasst zentrale psychologische Merkmale und häufige Warnsignale zusammen:

Tabelle 1: Psychologische Merkmale und häufige Warnsignale bei Schulamokläufern

Merkmal/WarnsignalDetaillierte BeschreibungPsychologische RelevanzTypische Äußerungsformen/VerhaltensweisenRelevante Quellen
Narzisstische PersönlichkeitszügeÜbersteigertes Selbstwertgefühl bei gleichzeitiger hoher Vulnerabilität für Kränkungen, mangelnde Empathie, Anspruchsdenken.Kompensation von Minderwertigkeitsgefühlen, Abwehr von Kritik, Aufrechterhaltung eines grandiosen Selbstbildes.Prahlerisches Auftreten, Abwertung anderer, extreme Reaktion auf Kritik, Fantasien von Allmacht und Rache.3
Depressive Tendenzen/SuizidalitätAnhaltende Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken oder -versuche.Gefühl der Ausweglosigkeit, tiefe Verzweiflung, die Tat als (erweiterter) Suizid.Sozialer Rückzug, Vernachlässigung des Äußeren, Äußerungen über Hoffnungslosigkeit oder Todeswünsche, frühere Suizidversuche.3
Gefühl von Mobbing/AblehnungSubjektive Wahrnehmung, von Mitschülern oder Lehrern schlecht behandelt, ausgegrenzt oder gedemütigt zu werden.Führt zu Kränkung, Wut, Rachegedanken, Gefühl der Ungerechtigkeit. Kann paranoide Wahrnehmung verstärken.Äußerungen über erlittenes Unrecht, Rückzug, Misstrauen gegenüber anderen, schriftliche oder verbale Beschwerden.3
Interesse an Waffen & GewaltIntensive Beschäftigung mit Schusswaffen, Sprengstoffen, gewalthaltigen Filmen, Spielen oder Musik; Faszination für frühere Amoktaten/Täter.Identifikation mit Gewalt als Mittel zur Problemlösung oder Machtdemonstration; Vorbereitung und Planung der Tat.Sammeln von Waffen oder einschlägiger Literatur, häufiges Sprechen über Gewalt, Nachahmung von Gewaltszenen, Verherrlichung von Amokläufern.5
Tatplanung (Pathway)Systematische Vorbereitung der Tat über einen längeren Zeitraum, inklusive Beschaffung von Waffen/Materialien und Auskundschaften des Tatorts.Ausdruck von Entschlossenheit und Zielgerichtetheit; die Tat ist selten impulsiv.Erstellen von Listen (Opfer, Ausrüstung), Zeichnen von Lageplänen, Beschaffung von Waffen und Munition, Üben mit Waffen, Verfassen von Manifesten oder Abschiedsbriefen.7
Leakage (Durchsickernlassen)Direkte oder indirekte Ankündigung der Tat oder von Gewaltfantasien gegenüber Dritten (Freunde, Familie, online).Kann Hilferuf, Testlauf, Machtdemonstration oder letzte Warnung sein; zeigt oft innere Zerrissenheit und Ambivalenz.Verbale Androhungen, Erstellen von Opferlisten, Andeutungen in Tagebüchern, Schulaufsätzen, Chats, sozialen Medien, Videos, Zeichnungen; exzessiver Konsum gewalthaltiger Medien, Interesse an früheren Taten.5
FixierungPathologische, oft wahnhafte Beschäftigung mit einer Person, einer Gruppe, einem Thema oder einer Idee, die als Ursache für eigenes Leid angesehen wird.Kanalisierung von Wut und Aggression; Rechtfertigung der geplanten Gewalt.Wiederholte, intensive Äußerungen oder Schriften gegen bestimmte Personen/Gruppen (z.B. Jesuiten, Ärzte, Behörden), Verfassen von Beschwerdebriefen, wahnhafte Überzeugungen.7
Letzter Ausweg (Last Resort)Gefühl der extremen Ausweglosigkeit und existenziellen Bedrohung; die Tat wird als einzige verbleibende Option wahrgenommen.Ausdruck tiefer Verzweiflung und des Versagens anderer Bewältigungsstrategien.Äußerungen wie „Es gibt keinen anderen Weg mehr“, „Das ist meine letzte Chance“, Verweise auf eine „existenzielle Bedrohung“ oder eine bevorstehende Katastrophe.7
Psychiatrische AuffälligkeitenFür Außenstehende erkennbare psychische Störungen oder deutliche Verhaltensänderungen.Hinweis auf eine zugrundeliegende psychische Erkrankung, die die Wahrnehmung und das Verhalten beeinflusst.Paranoide Gedanken, Wahnvorstellungen, schizophrene Symptome, schwere Depressionen, merkwürdige oder bizarre Verhaltensweisen.7

3. Der Amoklauf in Graz am 10.06.2025: Einordnung eines tragischen Ereignisses

Der fiktive, aber für diese Analyse als real angenommene Amoklauf am Bundes-Oberstufenrealgymnasium (BORG) Dreierschützengasse in Graz 1 weist in den ersten bekannt gewordenen Details Parallelen zu den zuvor diskutierten allgemeinen Mustern auf und wirft gleichzeitig spezifische Fragen auf.

Zusammenfassung der bekannten Fakten zum Vorfall in Graz:

Am Vormittag des 10. Juni 2025, gegen 10 Uhr, fielen Schüsse am BORG in Graz, einer Schule, die typischerweise von Schülern ab 14 Jahren besucht wird.2 Die Bilanz ist verheerend: Zehn Menschen wurden getötet, darunter auch der mutmaßliche Täter.1 Unter den Opfern befanden sich sieben Schüler und eine erwachsene Person 12, bei der es sich möglicherweise um eine Lehrerin handelte.12 Zudem gab es mehrere Schwerverletzte.1

Der Täter wurde als Schüler identifiziert, den Medienberichten zufolge handelte es sich um einen 22-jährigen ehemaligen Schüler des Gymnasiums, der sich nach der Tat selbst das Leben nahm. Er soll zwei Waffen mit sich geführt haben, eine Pistole und eine Schrotflinte, die er legal besessen haben soll. Berichten zufolge wurde eine der Waffen erst wenige Tage vor der Tat erworben.11 Der Täter soll in seinem früheren Klassenraum das Feuer eröffnet haben.

Die Reaktion der Behörden erfolgte umgehend mit einem Großeinsatz der Polizei, einschließlich der Spezialeinheit Cobra. Die Schule wurde evakuiert, und Schüler sowie Eltern wurden von Kriseninterventionsteams betreut. Hochrangige Politiker wie Kanzler Stocker, der von einer „nationalen Tragödie“ sprach, und Innenminister Karner reisten zum Tatort.

Verbindung zu den allgemeinen psychologischen Mustern:

Mehrere Aspekte des Grazer Falls fügen sich in das bekannte Bild von Schulamokläufen ein. Dass der Täter ein (ehemaliger) Schüler der betroffenen Schule ist, ist ein typisches Merkmal. Sein Alter von 22 Jahren fällt in die Altersspanne junger erwachsener Täter, die in der Forschung bis zum Alter von etwa 23 Jahren reicht.13 Die Wahl der Schule als Tatort deutet, wie oft in solchen Fällen, auf einen möglichen Racheakt oder eine tiefe symbolische Bedeutung für den Täter hin. Auch der Suizid des Täters ist ein häufig beobachtetes Merkmal bei Amokläufen.3

Viele Fragen bleiben im Fall Graz (wie in jedem realen Fall zu Beginn) offen: Gab es im Vorfeld der Tat „Leakage“ – Andeutungen oder Drohungen? Waren psychische Probleme des Täters bekannt? Gab es spezifische Kränkungserfahrungen an der Schule, die eine Rolle gespielt haben könnten? Welche Rolle spielten Gewaltfantasien in seiner Entwicklung? Die Beantwortung dieser Fragen wäre entscheidend für ein vollständiges Verständnis des individuellen Falles.

Einordnung des legalen Waffenbesitzes im Kontext österreichischer Waffengesetze:

Das österreichische Waffengesetz erlaubt den Besitz bestimmter Waffen auf einer sogenannten „shall-issue“-Basis, was bedeutet, dass eine Genehmigung erteilt werden muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.14 Für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen der Kategorie B (zu denen Faustfeuerwaffen wie Pistolen und halbautomatische Gewehre zählen) ist eine Waffenbesitzkarte erforderlich. Um solche Waffen auch führen zu dürfen, benötigt man einen Waffenpass. Zu den Voraussetzungen für diese Dokumente gehören in der Regel ein Mindestalter von 21 Jahren, ein psychologisches Gutachten (das die Verlässlichkeit attestiert und prüft, ob die Person dazu neigt, insbesondere unter psychischer Belastung unvorsichtig mit Waffen umzugehen) und, für den Waffenpass, der Nachweis eines Bedarfs (z.B. besondere Gefährdung). Für Inhaber einer gültigen Jagdkarte kann das psychologische Gutachten entfallen.15

Die Information, dass der 22-jährige Täter von Graz legal im Besitz von zwei Schusswaffen war 1, wirft ernste Fragen auf. Wenn ein junger Mensch, der später einen derart verheerenden Amoklauf begeht, die gesetzlichen Hürden für den legalen Waffenbesitz überwinden kann, deutet dies auf mögliche Schwachstellen im System hin. Es stellt sich die Frage, ob die Prüfungen, insbesondere das psychologische Gutachten, ausreichend sind, um labile oder potenziell gefährdete Persönlichkeiten zu identifizieren. Waren die Kriterien für die „Verlässlichkeit“ oder den „Bedarf“ (falls ein Waffenpass vorlag) im Fall des Täters angemessen bewertet worden? Oder hat sich die psychische Verfassung des Täters erst nach Erteilung der Erlaubnis entscheidend verschlechtert, ohne dass dies zu einer Neubewertung führte? Die Tatsache, dass eine der Waffen erst kurz vor der Tat gekauft wurde 11, könnte auf eine rasche Eskalation der Gewaltbereitschaft oder die Finalisierung einer bereits länger bestehenden Planung hindeuten. Der Fall Graz muss daher Anlass sein, die Vergabepraxis und die Kriterien für Waffenbesitzkarten und Waffenpässe in Österreich kritisch zu überprüfen, insbesondere bei jungen Erwachsenen und im Hinblick auf die Aussagekraft psychologischer Gutachten.

4. Mehr als nur ein Auslöser: Die komplexe Dynamik von Mobbing, Kränkung und Gewalt

Die Rolle von Mobbing bei Schulamokläufen wird häufig diskutiert und bedarf einer differenzierten Betrachtung. Es ist ein Faktor, der in der komplexen Gemengelage von Ursachen und Auslösern nicht isoliert betrachtet werden darf.

Differenzierte Betrachtung der Rolle von Mobbing:

Viele Amoktäter berichten subjektiv davon, gemobbt oder schlecht behandelt worden zu sein. Studien zeigen, dass sich bis zu 100 % der analysierten Täter als Opfer von Hänseleien (Teasing) oder Zurückweisung durch Gleichaltrige (Peer-Rejection) fühlten. Dieses Gefühl der Viktimisierung ist ein wichtiger Aspekt ihrer Selbstwahrnehmung.

Allerdings ist Mobbing objektiv betrachtet selten die alleinige oder primäre Ursache für die Tat. Experten weisen darauf hin, dass die subjektive Wahrnehmung von Mobbing eher ein Hinweis auf eine zugrundeliegende psychopathologische Entwicklung sein kann, bei der die Umwelt verzerrt oder feindselig wahrgenommen wird. Es ist eine wichtige Beobachtung, aber keine monokausale Erklärung für die Gewalttat.

Entscheidend ist auch, dass nicht jedes Mobbingopfer zum Amokläufer wird.16 Tatsächlich zeigen Studien, dass nur ein kleinerer Teil der jugendlichen Amokläufer, etwa knapp 30 %, vor der Tat tatsächlich von Gleichaltrigen gemobbt wurde.16 Mobbing kann jedoch eine verheerende emotionale Dynamik auslösen: Es kann Gefühle intensiver Scham in Wut transformieren und zu kompensatorischen Gewaltfantasien oder -handlungen führen, die darauf abzielen, ein Gefühl der Kontrolle (zurück-)zuerlangen.5 Zudem kann Mobbing bestehende Risikobedingungen, beispielsweise für Suizidalität, negativ verstärken.5 Mobbing oder die Wahrnehmung davon kann somit als ein Symptom einer tieferliegenden Problematik (wie paranoide Wahrnehmungsverzerrungen oder eine extreme narzisstische Kränkbarkeit) oder als ein verstärkender Faktor in einer bereits problematischen Entwicklung gesehen werden. Es interagiert mit anderen Risikofaktoren wie psychischer Labilität und fehlenden Bewältigungsstrategien.

Zusammenspiel verschiedener Stressfaktoren und Krisen:

Amokläufe sind in der Regel das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels vieler verschiedener Einflussfaktoren. Fast alle jugendlichen Amokläufer hatten im Vorfeld der Tat mit erheblichen sozialen Problemen und Konflikten zu kämpfen und erlebten Formen sozialer Ausgrenzung.16 In einer Studie wurde festgestellt, dass 98 % der Täter mit kritischen Lebensereignissen konfrontiert waren, die sie als hoch vulnerabel erscheinen ließen.5

Faktoren wie fehlende Anerkennung in der Schule, enttäuschte Liebe, ungelöste Konflikte mit Lehrern oder Mitschülern oder auch massive Versagensängste (z.B. bezüglich der Versetzung) können dazu beitragen, dass die Schule als symbolischer Ort des Scheiterns und der Kränkung zum Tatort gewählt wird.5 Auch akute psychosoziale Krisen, wie beispielsweise der Verlust eines nahen Verwandten, können als Auslöser fungieren, wenn sie den Jugendlichen emotional überfordern und er keine adäquaten Bewältigungsstrategien zur Verfügung hat.17 Entscheidend ist dabei weniger die objektive Schwere der Krise, sondern vielmehr, wie der Betroffene die Situation subjektiv empfindet und verarbeitet.17

5. Prävention ist möglich: Wege zu einem sichereren Bildungssystem

Obwohl die Komplexität von Schulamokläufen entmutigend wirken kann, zeigt die Forschung auch, dass Prävention möglich ist. Ein umfassender Ansatz, der auf mehreren Ebenen ansetzt, ist dabei unerlässlich.

Vorstellung umfassender Präventionsansätze:

  • Stärkung der psychosozialen Gesundheit und Resilienz:
    In Österreich bieten Strategien wie die „Strategie zur Stärkung der Psychosozialen Gesundheit und Resilienz im Setting Schule 2023-2025“ einen wichtigen Rahmen.18 Diese zielt auf die Entwicklung resilienter Schulen, resilienter Lehrkräfte und Schüler sowie auf die Stärkung von Kooperationen ab. Konkrete Maßnahmen umfassen Sensibilisierungskampagnen, Fortbildungen für Lehrpersonal, die Etablierung eines gesundheitsförderlichen Lehr- und Lernsettings und den Ausbau schulpsychologischer Dienste.18 Die Servicestelle GIVE (Gesundheitsförderung in der Schule) bietet Schulen und Lehrkräften wertvolle Unterstützung und Informationsmaterial.19 Ein integraler Bestandteil sollte auch die Suizidprävention sein. Hier besteht oft noch Nachholbedarf, da diese Aufgabe häufig an externe Organisationen ausgelagert wird und es an spezifischer Fortbildung für Schulsozialarbeiter mangeln kann.20
  • Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen (SEK):
    Die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen ist ein Grundpfeiler der Prävention. Österreichische Bildungspläne, wie jener für Niederösterreich, betonen die Bedeutung von Selbstwahrnehmung, dem adäquaten Umgang mit Emotionen, Konfliktfähigkeit und Empathie. Konkrete pädagogische Maßnahmen umfassen Kennenlern- und Vertrauensspiele, den Einsatz von Geschichten zur Identitätsfindung, Rollenspiele zur Erarbeitung von Konfliktlösungsstrategien und die aktive Partizipation der Kinder an der Gestaltung des Schullebens.21 Der österreichische Lehrplan für die verbindliche Übung „Entwicklung emotional-sozialer Kompetenzen“ zielt explizit auf die Förderung der Identitätsentwicklung, die Stärkung emotionaler und sozialer Kompetenzen sowie die Erweiterung von Handlungskompetenzen ab.22
  • Implementierung von Frühwarnsystemen und Bedrohungsmanagement-Teams:
    Das Konzept des Bedrohungsmanagements gilt als ein vielversprechender Ansatz zur Früherkennung und Intervention bei potenziellen Gewalttätern. Nach dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 wurde die Präventionsforschung in Deutschland intensiviert. Inzwischen gibt es spezialisierte Beratungs-Hotlines und eine enge Vernetzung zwischen Bildungseinrichtungen und der Polizei.23 Die Einrichtung schulischer Krisenteams zur Erstbewertung von Gefährdungslagen wird empfohlen. Psychologen und geschultes Personal achten dabei besonders auf Verhaltensänderungen und Äußerungen, die auf eine Gewaltabsicht hindeuten könnten („Leakage“). Das deutsche TARGET-Modell untersucht systematisch junge und erwachsene Täter sowie Amokdrohungen, um die Gefahrenprognose zu verbessern.Wichtig ist hierbei die Analyse dynamischer Handlungsmuster anstelle starrer Checklisten, da jeder Fall individuell ist.23
  • Schulische Krisenintervention und Notfallpläne:
    Schulen benötigen klare und geübte Notfallpläne. Handbücher zur Gewaltprävention beinhalten oft spezifische Kapitel zu Amokläufen und zum richtigen Verhalten in akuten Gewaltsituationen. Dazu gehören auch technische und organisatorische Maßnahmen wie unterscheidbare Alarmsysteme für Feuer und Amoklagen sowie von außen nicht zu öffnende, aber von innen leicht verschließbare Klassenzimmertüren. Regelmäßiges Training dieser Notfallpläne unter realistischen Bedingungen, in Zusammenarbeit mit Polizei und Rettungskräften, ist unerlässlich.
  • Ausbildung und Sensibilisierung von Lehrkräften und Schulpersonal:
    Lehrkräfte und das gesamte Schulpersonal spielen eine Schlüsselrolle bei der Früherkennung von Warnsignalen. Sie müssen entsprechend geschult und für Anzeichen psychischer Krisen oder Gewaltfantasien sensibilisiert werden. Fortbildungen im Bereich psychosoziale Gesundheit, Resilienzförderung und Krisenkompetenz sind daher von großer Bedeutung.18
  • Einbeziehung von Eltern und externen Fachkräften:
    Ein funktionierendes Präventionsnetzwerk schließt Eltern und externe Fachkräfte mit ein. Schulpsychologen, Schulärzte, Schülerberater und Schulsozialarbeiter bilden das innerschulische psychosoziale Unterstützungssystem. Die Kooperation mit externen Netzwerken, Beratungsstellen und Jugendhilfeeinrichtungen ist ebenfalls wichtig.18

Die Implementierung solcher Präventionsstrategien erfordert einen Balanceakt. Einerseits ist eine erhöhte Wachsamkeit und die Bereitschaft, auffälliges Verhalten zu melden, notwendig.7 Andererseits muss ein Schulklima des Vertrauens und der Offenheit erhalten bleiben, um Stigmatisierung zu vermeiden und Hilfesuchenden den Zugang zu Unterstützung zu erleichtern. Eine reine „Überwachungskultur“ wäre kontraproduktiv. Vielmehr geht es darum, eine Kultur des Hinsehens und Helfens zu fördern.

Die Rolle einer verantwortungsvollen Medienberichterstattung:

Medien tragen eine erhebliche Verantwortung, da ihre Berichterstattung Nachahmungseffekte (sogenannter „Werther-Effekt“ oder „Copycat-Morde“) auslösen kann.28 Um dies zu minimieren, gibt es klare Empfehlungen:

  • Vermeiden: Sensationsheischende Formulierungen, eine prominente Platzierung der Berichte, wiederholte Ausstrahlungen, explizite Beschreibungen der Tatmethoden, detaillierte Informationen über den Tatort, eine Normalisierung oder gar Heroisierung der Tat oder des Täters, die Veröffentlichung von Bildern oder Filmen von prominenten Selbstmördern, das Sprechen von „erfolgreichen“ Taten und die Verwendung von Stereotypen wie dem des „verrückten Einzelgängers“.5
  • Stattdessen fördern: Eine zurückhaltende Berichterstattung, Rücksichtnahme auf die Gefühle der Hinterbliebenen, Aufklärung über Suizidprävention und Hilfsangebote, die Benennung veränderbarer Bedingungen (wie psychische Störungen oder Depressionen des Täters), das Aufzeigen von Auswegen und Alternativen zur Gewalt, die Darstellung der Trauer von Opfern und Überlebenden.28 Der Deutsche Pressekodex enthält hierzu ebenfalls wichtige Richtlinien, insbesondere zur Wahrung der Menschenwürde, zum Opferschutz, zur Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen und zum Verzicht auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid (Ziffer 11).30

Einzelne Projekte oder kurzfristige Maßnahmen reichen zur Prävention nicht aus. Die österreichische „Strategie zur Stärkung der Psychosozialen Gesundheit und Resilienz“ 18 und die Verankerung von sozial-emotionalen Kompetenzen in Lehrplänen 22 deuten auf einen notwendigen Paradigmenwechsel hin: Gesundheitsförderung und Gewaltprävention müssen dauerhaft in die Schulentwicklung und die Lehrerausbildung integriert werden. Dies erfordert politischen Willen, finanzielle Ressourcen und eine langfristige Perspektive.

Die folgende Tabelle fasst die Eckpfeiler einer umfassenden Präventionsstrategie zusammen:

Tabelle 2: Eckpfeiler einer umfassenden Präventionsstrategie an Schulen

EckpfeilerKonkrete Maßnahmen im BildungssystemBegründung/ZielRelevante Quellen
Psychosoziale Gesundheitsförderung & ResilienzProgramme zur Stärkung der psychischen Gesundheit, Stressbewältigung, Resilienzförderung für Schüler und Lehrkräfte; Verankerung in Schulleitbildern; Ausbau schulpsychologischer Dienste und Beratungsangebote.Schaffung eines positiven Schulklimas; Stärkung individueller Schutzfaktoren; Reduktion von Risikofaktoren für psychische Krisen.18
Förderung Sozial-Emotionaler Kompetenzen (SEK)Verbindliche Verankerung von SEK-Lerneinheiten im Lehrplan (Empathie, Konfliktlösung, Emotionsregulation, Selbstwahrnehmung); Einsatz spezifischer pädagogischer Methoden (Rollenspiele, Gruppenarbeiten, Feedbackkultur).Verbesserung der sozialen Interaktionsfähigkeit; Reduktion von aggressivem Verhalten; Förderung prosozialen Verhaltens und eines unterstützenden Miteinanders.21
Früherkennung & Intervention (Bedrohungsmanagement)Etablierung multiprofessioneller Bedrohungsmanagement-Teams an Schulen/Schulclustern; Schulung von Lehrkräften zur Identifikation von Warnsignalen (Leakage, Verhaltensänderungen); klare, niederschwellige Meldewege.Rechtzeitiges Erkennen von Risikopersonen und Krisensituationen, um adäquat intervenieren und Gewalttaten verhindern zu können; Deeskalation potenziell gefährlicher Entwicklungen.7
Sichere Schulgebäude & NotfallmanagementTechnische Sicherheitsmaßnahmen (z.B. Alarmsysteme, verschließbare Türen); Erstellung und regelmäßige Übung von schulischen Notfall- und Krisenplänen in Kooperation mit Polizei und Rettungsdiensten.Minimierung der Opferzahlen im Ernstfall; Schaffung eines sicheren Lernumfelds; klare Handlungsabläufe für alle Beteiligten in Krisensituationen.2
Aus- und Fortbildung des PersonalsRegelmäßige, verpflichtende Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulpersonal zu Themen wie psychische Gesundheit, Warnsignale von Gewalt, Deeskalationstechniken, Umgang mit traumatisierten Schülern, Bedrohungsmanagement.Erhöhung der Handlungssicherheit des Personals; Sensibilisierung für Risikofaktoren und Schutzbedürfnisse; Professionalisierung im Umgang mit Krisen.16
Kooperation & VernetzungAufbau und Pflege von Kooperationsnetzwerken zwischen Schulen, Eltern, Jugendhilfe, Gesundheitswesen (Psychologen, Psychiater), Polizei und anderen relevanten externen Stellen.Gewährleistung einer umfassenden Unterstützung für gefährdete Schüler; Bündelung von Expertise; Schaffung schneller und effektiver Interventionsketten.18
Verantwortungsvolle MedienkompetenzAufklärung über die Wirkung von Medienberichterstattung (Nachahmungseffekte); Förderung kritischer Mediennutzung bei Schülern; Einhaltung ethischer Standards in der Berichterstattung durch Medien selbst.Reduktion des Risikos von Nachahmungstaten; Verhinderung der Glorifizierung von Tätern; Schutz der Persönlichkeitsrechte von Opfern und Tätern.5

6. Fazit: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – Kein Kind darf verloren gehen

Die Analyse von Schulamokläufen, wie auch der fiktive, aber erschreckend realistische Fall in Graz, zeigt deutlich: Es handelt sich um komplexe Taten mit tiefen psychologischen Wurzeln, die oft von Kränkung, narzisstischen Defiziten, Rachefantasien und einer verzweifelten Suche nach Ruhm getrieben sind. Diesen Taten gehen häufig lange Entwicklungsverläufe mit vielfältigen Warnsignalen voraus. Der Fall Graz wirft zudem spezifische Fragen hinsichtlich der Wirksamkeit von Waffengesetzen und deren Umsetzung auf.

Nachhaltige Prävention erfordert einen multifaktoriellen, systemischen Ansatz, der weit über reine Sicherheitsmaßnahmen hinausgeht. Schulen dürfen mit dieser immensen Aufgabe nicht alleingelassen werden. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung und einer koordinierten Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen, der Politik auf allen Ebenen (Bildungs-, Gesundheits-, Innenressorts), dem Gesundheitswesen (insbesondere Psychiatrie und Psychologie), der Jugendhilfe, den Eltern und nicht zuletzt den Medien. Die Stärkung von Schutzfaktoren – wie psychische Gesundheit, soziale Kompetenzen und ein unterstützendes, wertschätzendes Umfeld – muss Hand in Hand gehen mit der Reduktion von Risikofaktoren, zu denen der leichte Zugang zu Waffen für Risikopersonen, soziale Isolation und unerkannte oder unbehandelte psychische Krisen zählen.3

Ein wichtiger Aspekt ist die Enttabuisierung von psychischen Problemen und der Inanspruchnahme von Hilfe. Viele Täter weisen psychische Auffälligkeiten auf 5, und einige waren bereits in Behandlung.5 Dennoch eskaliert die Situation. Dies könnte auch daran liegen, dass psychische Belastungen und das Suchen von Hilfe – insbesondere bei jungen Männern, die die Haupttätergruppe darstellen – immer noch stark stigmatisiert sind. Eine Kultur, in der es als normal und akzeptiert gilt, über psychische Probleme zu sprechen und professionelle Unterstützung zu suchen, ist ein fundamentaler Baustein der Prävention.

Die psychologischen Entwicklungen, die zu Amokläufen führen, sind oft langwierig.3 Ebenso erfordert wirksame Prävention einen langen Atem und eine nachhaltige Perspektive. Maßnahmen zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen 21 oder zur Stärkung der Resilienz 18 sind keine kurzfristigen Interventionen, sondern langfristige Investitionen in die psychische Stabilität zukünftiger Generationen. Prävention ist eine kontinuierliche Aufgabe und keine einmalige Reaktion auf ein tragisches Ereignis.

Obwohl es keine absolute Sicherheit vor solchen Taten geben kann 3, ist es durch konsequente, wissenschaftlich fundierte und gesamtgesellschaftlich getragene Präventionsarbeit möglich, Risiken signifikant zu minimieren und Leben zu schützen. Jedes verhinderte Leid, jede abgewendete Tragödie ist ein Erfolg und ein Beweis dafür, dass kein Kind, kein Jugendlicher verloren gehen darf.

Mit tröstenden Grüßen,

Euer Krischan

Referenzen:
  1. Mehrere Tote nach Amoklauf an Schule in Graz | tagesschau.de, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.tagesschau.de/eilmeldung/amoklauf-oesterreich-100.html
  2. Zehn Tote nach Schüssen an Schule in Graz – Bayerischer Rundfunk, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/graz-schuesse-an-schule-tote-und-dutzende-verletzte,Unhv69z
  3. PRÄVENTION INTERVENTION OPFERHILFE MEDIEN, Zugriff am Juni 10, 2025, http://www.wuerzburger-fachtagung.de/wp-content/uploads/Expertenkreis_Amok.pdf
  4. Amok, School Shooting und zielgerichtete Gewalt – OAPEN Library, Zugriff am Juni 10, 2025, https://library.oapen.org/bitstream/id/6e00e0f1-8707-427d-88d8-f6848d46f03e/amok.pdf
  5. School Shooting | socialnet Lexikon, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.socialnet.de/lexikon/School-Shooting
  6. Der Amoklauf am OEZ: Mobben, bis einer durchdreht? | BR24 | BR.de, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.br.de/nachricht/mobbing-amoklauf-102.html
  7. Amokläufe an Schulen durch Außenstehende – Psychiatrische …, Zugriff am Juni 10, 2025, https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1024/1422-4917/a000421
  8. Warum begehen Jugendliche in Schulen Amokläufe? – BACHELOR + MASTER, Zugriff am Juni 10, 2025, https://m.bachelor-master-publishing.de/document/297024
  9. Amoklauf an einer Schule – Wikipedia, Zugriff am Juni 10, 2025, https://de.wikipedia.org/wiki/Amoklauf_an_einer_Schule
  10. Eilmeldung: Mehrere Tote nach Amoklauf an Grazer Schule – Tips, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.tips.at/nachrichten/oesterreich/oesterreich-welt/687369-eilmeldung-mehrere-tote-nach-amoklauf-an-grazer-schule
  11. Kleine Zeitung | Aktuelle Nachrichten und Services, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.kleinezeitung.at/
  12. Graz: Ex-Schüler (22) tötete mehrere Menschen – profil.at, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.profil.at/oesterreich/graz-fuenf-tote-nach-schuessen-in-gymnasium/403048821
  13. Amoktaten junger Täter Risikofaktoren und Prävention durch Früherkennung der Tatabsichten1 – Suizidprophylaxe, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.suizidprophylaxe-online.de/pdf/06_heft182_2020.pdf
  14. Gun law in Austria – Wikipedia, Zugriff am Juni 10, 2025, https://en.wikipedia.org/wiki/Gun_law_in_Austria
  15. Waffenpass – Antrag – oesterreich.gv.at, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.oesterreich.gv.at/themen/gesetze_und_recht/waffenrecht/2/Seite.2450900.html
  16. Folgen sozialer Ausgrenzung – Nicht jedes Mobbingopfer wird zum Amokläufer – Deutschlandfunk, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.deutschlandfunk.de/folgen-sozialer-ausgrenzung-nicht-jedes-mobbingopfer-wird-100.html
  17. Amokläufe an Schulen verhindern: Amokprävention in der Schule – Polizei dein Partner, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.polizei-dein-partner.de/themen/schule/detailansicht-schule/artikel/amoklaeufe-an-schulen-verhindern.html
  18. Strategie zur Stärkung der Psychosozialen Gesundheit und …, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.schulpsychologie.at/fileadmin/upload/psychologische_gesundheitsfoerderung/Strategie_zur_Staerkung_der_Psychosozialen_Gesundheit_und_Resilienz_im_Setting_Schule2023.pdf
  19. Kinder- und Jugendgesundheit – Sozialministerium, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.sozialministerium.gv.at/Themen/Gesundheit/Kinder–und-Jugendgesundheit.html
  20. Anzeichen suizidaler Krisen bei Schülern und Schülerinnen – präventive Möglichkeiten der Schulsozialarbeit Masterarbeit – unipub, Zugriff am Juni 10, 2025, https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/5446115
  21. 1. EMOTIONEN UND SOZIALE BEZIEHUNGEN 1 1.1 Kompetenzen 4 1.2 Pädagogische Impulse 5 Unterstützung und Förderung von Bildu – Land Niederösterreich, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.noe.gv.at/noe/Kindergaerten-Schulen/Bildungsplan_Niederoesterreich.pdf
  22. LEHRPLANZUSATZ FÖRDERBEREICH EMOTIONAL-SOZIALE ENTWICKLUNG – Pädagogik-Paket, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.paedagogikpaket.at/images/PDFs/LPZ_Foerderbereich_Emotional-Soziale_Entwicklung.pdf
  23. 20 Jahre nach dem Amoklauf in Erfurt – Präventionsforschung – wie sich Amoktaten verhindern lassen – Deutschlandfunk, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.deutschlandfunk.de/amoklauf-erfurt-gutenberg-gymnasium-opfer-praevention-100.html
  24. Umgang mit Amokdrohungen an Schulen* – ZIS-Online, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.zis-online.com/dat/artikel/2011_5_562.pdf
  25. Schlussbericht Projekt TARGET Teilprojekt Gießen: Kriminologische Analyse von Amoktaten – junge und erwachsene Täter von Amo, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb01/professuren-forschung/professuren/bannenberg/mediathek/dateien/schlussbericht-target-giessen2017.pdf
  26. Handbuch Gewaltprävention II – Handbücher Gewaltprävention, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.schulische-gewaltpraevention.de/download/sekundarstufen.pdf
  27. Medien: Mehrere Tote bei Schüssen an Schule in Graz – Bayerischer Rundfunk, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/medien-mehrere-tote-bei-schuessen-an-schule-in-graz,Unhv69z
  28. Medienberichte von Mord und Totschlag rufen Nachahmer auf den Plan – Spektrum der Wissenschaft, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.spektrum.de/news/medienberichte-von-mord-und-totschlag-rufen-nachahmer-auf-den-plan/1340377
  29. Anschläge und Amok „Es gibt einen Nachahmungseffekt“ – Deutschlandfunk Nova, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/anschlaege-amok-reaktion-der-medien
  30. Pressekodex – Deutscher Presserat, Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.presserat.de/pressekodex.html
  31. PUBLIZISTISCHE GRUNDSÄTZE (PRESSEKODEX), Zugriff am Juni 10, 2025, https://www.djv-bw.de/fileadmin/user_upload/lv_bw/pdf_bw/pdf/satzungen_und_regelwerke/pressekodex-neuversion_2015.pdf



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