Richard Steinschlag im Interview
Der uns sehr bekannte Künstler Richard Steinschlag durfte für Gastro News folgendes Interview geben: http://www.gastronews.wien/2014/12/techno-musiker-steinschlag-im-interview/.
Die vollständige XXL-Fassung des Interviews gibt es exklusiv hier zum nachlesen:
Wann haben Sie begonnen sich für elektronische Musik zu interessieren?
Das Interesse für elektronische Musik entstand schon beim exzessiven Computerspielen und Programmieren als Kind und Jugendlicher auf einem Commodore 64. Chris Hülsbeck und andere schafften mit den sehr eingeschränkten, aber einzigartigen Möglichkeiten des SID-Chips (der Musik-Computer-Chip des C64) und dessen Programmierung Meisterwerke der Computerspiel-Musik.
1988, im Alter von 14 Jahren, las ich auch immer wieder mal Bravo- und Rennbahn-Express. Dort fanden sich neben den eher uninteressanten Geschichten und Postern der gerade aufkommenden Boygroups und aktuellen Popstars auch Randnotizen zum Geschehen in der elektronischen Tanzmusikszene. Damals waren es wenige kurze Erwähnungen von House-Partys und dem Aufkommen von Acid-House, die mich zum Kauf meiner ersten CDs motivierten. Ich fuhr nach Wien in einen Plattenladen, mein Vater kam beim 1. Mal noch mit, und kaufte dort die ersten frisch importieren CDs dieses Genres und war sofort hin und weg von diesen neuartigen wabernden und hypnotisierenden Klängen. Ich reizte unsere Heimanlage aus, tanzte im Wohnzimmer herum und schockierte unsere Nachbarn, und freute mich auf den späteren Besuch dieser auf mich fröhlich, ausgelassen und dennoch sehr freakig wirkenden Events. Die CDs im eigenen Umfeld zu spielen brachte mir das Gegenteil ein, die allermeisten Menschen konnten mit dieser Musik nichts anfangen. Das verstärkte nur noch meine Suche nach Gleichgesinnten. Und so fand ich nach den berauschenden und doch sehr ernüchternden ersten Discotheken-Erfahrungen bald den Weg in die Österreichische House- und Techno-Szene.
Weshalb begeistert Sie elektronische Musik?
Die elektronische Musik ist neu, innovativ und entwickelt sich beständig weiter. Die Produktion dieser Musik umfasst allen Bereiche eines Musikschaffenden, die man am besten im Alleingang meistert. Man darf selbst lernen, alle Bereiche zu überblicken, um Bestand in der immer schneller voranschreitenden Entwicklung dieser Musikvielart zu haben. Es reicht längst nicht mehr, sich ein paar Roland-Geräte zu kaufen, diese über Midi zu verkabeln und über einen Mixer einen Liveact aufzunehmen, diesen rudimentär zu Mastern und auf Platte zu pressen. Man ist Producer, DJ, Liveact, Ton-Techniker, Soundspezialist und Künstler in einer Person. Leider kommt heutzutage auch die Rolle des Promoters, Bookers, Grafikers, Designers, Webspezialist und Sozial Media Fachmann hinzu, außer man hat einen großen Freundeskreis die einem Arbeiten abnehmen.
Schon im Aufwachsen merkte ich schnell das ich mit den ständigen emotionalen Rückerinnerungen, die Musik bei anderen Menschen nicht nur auslöste, sondern in ein Suchtverhalten ausartete, nicht so viel anfangen kann. Ich brauchte keine Ohrwürmer, die mich einlullen und mich in der Vergangenheit und den damit zusammenhängenden schönen Erinnerungen Leben lassen, sondern möchte die Zukunft herbeitanzen und mitkreieren, eine Einstellung, die ich nur in dieser Szene von Anfang an miterlebte. Aber auch dort gab es längst viele Ernüchterungen, auf die ich aber hier nicht eingehende möchte. Die Diskussion über Analog und Digital und die Verehrung von alten, verstaubten Songs und Stilen die seit 20 Jahren eigentlich bereits totgespielt sind, oder einfach ohne Drogen-Backflash nicht mehr hergeben sei da nur beiläufig erwähnt. Leben und genießen lassen ist die Toleranz-Ausrichtung und jeder darf gerne machen, was ihm gefällt und wo ersie noch zahlendes Publikum dafür findet. Und was mal global funktioniert hat, wird auch weiter funktionieren, nur entspricht es nicht dem Geist der ganzen Bewegung, man bleibt auf etwas hängen, das sich beständig weiterentwickelt aus der Natur der Sache heraus.
Die elektronische Musik brachte also neuen Wind in viele Bereiche der Kunst und Kulturschaffenden hinein und mit diesem Surfe ich sicher noch länger auf den Wellen des Fortschrittes weiter. Auch wenn vielleicht kein großer Wurf mehr kommen wird, auch Roland bringt nur digital aufgefrischte Versionen seiner ersten Genre-Formenden Produkte nun heraus, so wird die Verfeinerung dieser Musikrichtung einfach weiter und weiter vornschreiten und den Platz, den man dabei hat, darf man sich selbst aussuchen und sich darin einrichten. Die besten Plätze ganz oben sind aber bereits vergeben oder werden durch den kreativsten Nachwuchs schnell hochprofessionell aufgefüllt. Die Kommerzialisierung ist notwendig gewesen, brachte genauso eine Konsolidierung und Spaltung hervor wie es immer schon war mit neuen Ideen, und sollte kein Karriereziel eines DJs oder angehenden Produzenten sein.
Die Begeisterung liegt an der Wirkung, die diese Musik auf mich hat, und solange diese nicht aus einem Flucht- und Abschaltreflex besteht werde ich an meiner persönlichen Verfeinerung der Spielarten der elektronischen Tanzmusik dranbleiben und sie auch immer wieder aktiv vor Publikum oder in den weiten des Internets der Menschheit zur Verfügung stehen.
Wie finden Sie Inspirationen für neue Lieder?
Ich sehe mich als eigenständigen Künstler, der sich nicht aus anderen Songs bedient oder gar sampelt und sich damit am Material von anderen Vergreift. Ich gestalte alle Songs aus eigenen Ideen und Klängen. Die Inspirationen zu den Songideen die ich transportieren möchte ergeben sich aus dem täglichen Leben und Erleben dieser Wirklichkeit. Die Klänge dazu ergeben sich durch das Ausprobieren von neuer Software oder Hardware und den nötigen Elementen damit es tanzbare Musik wird. Die ich aus meiner immer größer werdenden eigenen Sample- und Instrumente-Datenbank entnehme oder neu erstelle.
Ich höre mir viel an, was in den bereits definierten Sub-Genres herauskommt und mache dann bewusst etwas anderes und beginne jeden neuen Song entweder aus einem halbfertigen eigenen Song, der erneut völlig umgebaut wird bis auf 1-2 Elemente welche die Basis bilden, oder von Scratch, also mit einem leeren Songfile oder einem leeren Template, wo gewisse Routine-Arbeitsschritte bereits erledigt sind. Diese Vorgehensweise ist zwar arbeitsintensiver, aber bietet so jedes Mal die Chance, etwas völlig neues zu erschaffen. Da mein Interesse in erster Linie ist, mich und meine Probehörer musikalisch zu erfreuen und zu stimulieren, aber auch neue Tools zum Auflegen zu haben, erlebe ich viel vom Kreativ-Zeitraum und wenig von der Ausarbeitungs-Arbeit. Erst die besten, auch vor Publikum erprobten Songs bekommen die dafür nötige Ausarbeitung auf höchstem technischen Niveau und werden zu einem kaufbaren Produkt. Dieses rechnet sich meistens nicht, denn sobald man auch die Arbeitszeit in die Berechnung mit einfließen lässt, ist alles vorbei. Zu mindestens im Mittelfeld, in dem ich mich bewege und das beständig größer wird.
Die Spitze, die davon leben kann, schrumpft dafür beständig hin. Geld, Ruhm und ein Auftreten vor einem Riesengroßen Publikum darf aus vielerlei Gründen NICHT die Haupt-Motivation für eine Künstlerlaufbahn in diesem Bereich sein. Konstruierte Hits wie im Dance- und EDM-Bereich sind in meinem Bereich eigentlich unmöglich und kontraproduktiv. Innovation und Kreativität lassen sich nicht maßgeschneidert in einen Hit umsetzen, niemand kann wissen was der Hit sein könnte und Elemente kapern aus Songs, die zum Hit geworden sind, fällt sehr deutlich auf bei denen, die 1. Wahl bei der erreichten Zielgruppe sein sollten: Den DJs. Einer kann immer dabei sein, der sagen kann welches Sample von wo gekapert wurde oder nach welchen Song der neue kommt. Die verfeinerten Technischen Möglichkeiten des Song-Trackings erschweren die Arbeit der Nachahmer, erleichtern aber die Arbeit der kreativen Künstler.
Welcher Musiker ist ihr musikalisches Vorbild?
Da gibt es eine lange Reihe an Protagonisten in dieser Szene die ich nun nicht aufzählen möchte. Alle, die für mich als Vorbild eine Weile inspirierend wirkten, eint eines: Sie änderten die Szene mit ihren Werken und brachten neue, funktionierende Elemente hinein in die Vielfalt dieser Musikrichtung und lebten auch die richtige Ethik vor. Ich habe keine Ahnung wie diese Menschen ihr Privatleben wirklich verbringen. Aber sie alle eint eines: Sie lebten und formten den Spirit dieser Bewegung. Wir sind alle Erdenbürger, haben das Recht auf Feiern und Tanz, und Toleranz, Weltoffenheit und ein harmonischer Umgang miteinander eint alle. Man hilft sich, man respektiert sich und man arbeitet nicht aus finanziellen oder karrieretechnischen Gründen gegeneinander sondern fühlt sich als Teil einer großen, globalen Familie. Starkult war immer schon der Irrweg, den manche einschlugen und daran scheiterten. Respekt vor den großen der Szene hat nichts mit dem Starkult zu tun, den man im Pop-Bereich und der kommerziellen Herangehensweise an die Kunst der Musikgestaltung so findet. Der reine Underground ist es aber auch nicht. Dort hörte ich zwar die mit Abstand besten Sachen aber bei einigen Erlebnissen war es mir nicht möglich, herauszufinden wer da gerade überhaupt gespielt hat: Denn sie versteckten sich hinter dem Soundsystem. Manche davon kamen später doch noch zu ihren Ehren, manche verzichteten Freiwillig auf eine Karriere auch außerhalb der Szene.
Welcher Ihrer Live-Acts hat Ihnen bis jetzt am besten gefallen?
Jedem meiner Live-Acts eint, dass ich mich musikalisch an das jeweilige Eventkonzept und die eigene Spielzeit anpasse. Mit dem Besten, was ich aktuell am Produzieren bin, gemischt mit dem besten, was ich von anderen Kollegen an fertigen Produktionen finde. Gelingt mir das so, dass ich das anwesende Publikum zum Tanzen verführe und zugleich aber auch verzaubere, sie in eine eigene Welt entführen kann, so wird es ein unvergessliches Erlebnis, das ich gerne in Erinnerung behalte. 2014 gelang mir dies einmal im Camera Club in Wien im Mai, und 1 mal im Vendetta Club bei Brno besonders gut.
Vom musikalischen Schaffen her war ich am meisten zufrieden mit der Umsetzung von unserem Beach Cruise. PabloJ spielte vor mir mit Looper und Gitarre seine besten werke, und ich durfte eine Brücke zum Techno schlagen und die Schiffsreise starten. Mit dem Roland TB-3 und einem geringeren Tempo als sonst gelang mir das auch: In 1,5 Stunden fuhren wir schaukelnd und schwankend virtuell los. Mit mehreren Höhepunkten und visueller Unterstützung von HandMitAuge gab es eine adäquate Umsetzung einer Schiffsabfahrt zu einer letzten Sommernacht in Wien, die im Weltraum endete. Wir wussten nicht, welches Publikum nun wirklich hauptsächlich vertreten sein wird, und ein fließender Übergang von Elektronisch angehauchten Gitarren-Poprock zu Minimal und dann Techno fand ich eine spannende Herausforderung und das Publikum ging dankbar mit.
Das brandneue Liveset vom 29.11.2014 und mehr DJ Mixes:
Be:Connected @ Perpetuum Club by Richard Steinschlag on Mixcloud
Worauf können sich Ihre Fans in Zukunft musikalisch freuen?
Auf weitere innovative Werke. Da mein Qualitätsanspruch an mich selbst recht hoch ist, und ich immer versuche, mich selbst wieder zu übertreffen, und neues Auszuprobieren, kommen in den nächsten Monaten einige neue Singles heraus die man als Steinschlag-Fan oder einer, der es noch werden möchte, einfach haben muss. Ich hoffe sehr, dass wir es zeitmäßig und finanziell auch schaffen, unsere Musikvideos zu den Songs qualitativ um einiges besser umsetzen zu können. Was wir wollen, wissen wir schon ungefähr. Wie das machbar ist, leider noch nicht.
Wann finden Ihre nächsten Auftritte statt?
Am 29. November darf ich erneut im Perpetuum Club mein Bestes geben. Am 13. Dezember gibt es eine größere Party in einer alten Fabrik in Brünn, wo ich wieder mal auf einer großen Anlage die Leute mit elektronischen und technoiden Rythmen und Songs begeistern darf. Für Wien ist momentan nur 1 Auftritt zu Silvester fixiert. Alles Weitere ist noch offen. Ich finde es persönlich ja sehr gut das gute Qualität im musikalischen Schaffen in der elektronischen Tanzmusikszene nun auch für viel mehr Menschen inklusive meiner Wenigkeit leistbar geworden ist. Der Nachteil: Der Mitbewerb ist sehr groß und auch gut, und die Budgets für die Veranstalter sind aber immer schwerer zu realisieren. Damit lassen viele Freunde aus ihrem Umfeld spielen, oder pokern mit internationalen Gast-Musikern. In Wien ist die Vielfalt so groß aber auch die Netzwerke so klein das es schwer ist, ohne ständiges Stalken der Protagonisten überhaupt einen passenden Platz zu bekommen zum Auftreten. Ich freue mich über jede Ko-Operation die sich einstellt, rechne aber nicht das ich eine offizielle Booking-Anfrage so einfach aus dem Nichts mal bekomme. Aber vielleicht ändert sich das ja sobald ich den nächsten großen Sommerhit komponiert habe *lach*
Mehr Links zum Herrn Steinschlag sein Wirken und Schaffen:
Der nächste Live-Auftritt: Trinity am 13.12.2014
https://www.facebook.com/events/725383357551189/
Mehr Songs zum kaufen: http://www.beatport.com/artist/richard-steinschlag/290121
Mehr Previews und Unveröffentlichte Songs: www.soundcloud.com/richardsteinschlag
Mehr aktuelle Informationen: www.facebook.com/richardsteinschlag
Mehr Szene: www.mindentertainment.org
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